»Speedy Gonzalez« - Svenja Huth lacht, als sie ihren Spitznamen nennt. Steffi Jones hat der Fußballspielerin aus Alzenau den Namen dieser Comicfigur verpasst, die im deutschen Fernsehen einst als »Die schnellste Maus von Mexiko« durchs Vorabendprogramm jagte.
»Wir sind wohl alle zufrieden mit den Namen, die wir bekommen haben«, sagt Huth über die Idee der Frauen-Bundestrainerin, den Nationalspielerinnen Spitznamen von Comicfiguren zu geben.
Dass Speedy Gonzalez passend für Svenja Huth ist, hat sich jüngst beim letzten Testspiel der DFB-Elf vor der Europameisterschaft in den Niederlanden (16. Juli - 6. August) gezeigt. »Ich habe versucht, Räume zu schaffen, Wege zu gehen und den Ball laufen zu lassen«, sagt die Offensivspielerin über ihren Einsatz in den ersten 45 Minuten der Partie gegen Brasilien. Die große Laufbereitschaft ist eine der Stärken der Stürmerin von Turbine Potsdam. Das weiß auch Jones, die der Alzenauerin mehr Einsatzzeit gibt als noch unter Silvia Neid.
Popp-Ausfall wiegt schwer
Trotzdem muss sich Huth dem Konkurrenzkampf im Team stellen, der auch durch die Verletzung von Alexandra Popp nicht kleiner geworden ist. Deren Ausfall wiege schwer, sagt Huth. »Sie ist eine starke Spielerin und wäre ein wichtiger Bestandteil des Teams gewesen. Aber die Mannschaft hat genug Qualität, um ihren Ausfall zu kompensieren.«
Dies habe sich auch im Test gegen Brasilien gezeigt. »Ein guter Test«, wie Huth betont. Aus zweierlei Gründen: Denn der Gegner habe tief gestanden - wie es wohl auch die Schwedinnen im ersten EM-Gruppenspiel gegen Deutsch-land tun werden. Und die eigene Mannschaft habe diese Aufgabe vor allem in der ersten Halbzeit sehr gut gelöst, sagt Huth. »Das Kurzpassspiel war sehr stark.« Allerdings müsse man trotz vieler Chancen noch etwas mehr Zug zum Tor entwickeln. Und die Chancen effektiver nutzen, merkt die ehemalige Jugendspielerin der TSG Kälberau an. Gegen Schweden, das ist allen klar, wird es schwerer werden als gegen die nicht in Bestbesetzung angetretenen Brasilianerinnen.
Von Beginn an hellwach
Man sei im Übrigen sogar froh, im Auftaktmatch gleich auf den stärksten Gegner der Gruppe zu treffen, betont Huth. »So ist man von der ersten Sekunde des Turniers an hellwach.« Wie man gegen einen Gegner spielen sollte, der einen einschläfern will, habe der Test gegen Brasilien gezeigt. »Konzentration hochhalten, zügig spielen, aber nicht hektisch werden.« Mit Ausnahme der Phase nach dem Aussetzer von Torhüterin Almuth Schult hat dies ja auch geklappt.
Vermutlich dürfte dieses Rezept auch bei den anderen beiden Gruppengegnern angeraten sein. Huth warnt davor, Italien und Russland auf die leichte Schulter zu nehmen. »Das wird nicht einfach. Das sind defensive und sehr robust agierende Mannschaften. Die werden um jeden Zentimeter kämpfen.«
Trotzdem: Alles andere als ein klarer Einzug ins Viertelfinale wäre eine Überraschung (die beiden Gruppenersten kommen weiter). Auf Frankreich und England, zwei von Huth genannte Titelmitfavoriten, wird die DFB-Elf auch da nicht treffen. Ebenso wenig auf Spanien, über das Svenja Huth zuletzt viel Positives gelesen hat. »Vielleicht gibt es aber auch eine Überraschungsmannschaft, die man nicht auf dem Zettel hat.«
Deutschland steht da jedenfalls drauf. Schließlich ist man Titelverteidiger und mit insgesamt acht Erfolgen Rekord-Champion. Doch übermächtigen Druck wie 2011, als das DFB-Team bei der Heim-WM eine große Last zu tragen schien, gibt es offensichtlich trotz der jüngsten Erfolge der Männer-Mannschaften nicht. »Wir müssen nicht, wir wollen es zeigen«, sagt Huth. Das Ziel sei aber ganz klar: »Europameister werden.«
Und Huth will ihren Teil dazu beitragen. Die Probleme mit dem Innenband im Knie, die sie Anfang des Jahres zu einer kurzen Pause in der Bundesliga zwangen, sind gelöst. »Das Knie ist fit, und ich bin es auch.«
Andreas Schantz
Hintergrund: Schults Aussetzer bringt nichts ein
»Nichts.« Almuth Schult, Deutschlands Nummer 1 in der Frauennationalmannschaft, hat nach ihrem schweren Patzer im Spiel gegen Brasilien, der zum zwischenzeitlichen 1:1 führte, keinen Cent in die Mannschaftskasse zahlen müssen. Svenja Huth muss es wissen. Denn die Alzenauerin ist die Kassenwartin des DFB-Teams. »Uns Feldspielerinnen passieren auch Fehler, sie sind halt meist nicht so gravierend wie jene eines Torwarts.« Selbstverständlich wurde die Szene, bei der sich Schult den Ball abluchsen ließ, aber noch einmal besprochen. Doch die Mannschaftskasse wird durch andere Vergehen gefüllt. Zu spät kommen, etwas von der Ausrüstung vergessen, oder das Handy nicht abgeschaltet zu haben, sind die Anlässe, die zu teaminternen Strafzahlungen führen.
Immense Summen kommen offenbar bei der Kauffrau für Bürokommunikation nicht an. Aus der Kasse werde mal ein Eis oder auch ein Getränk bei einem Weihnachtsmarktbummel gezahlt. Geschenke für Trainer und Betreuer oder ausscheidende Spielerinnen sind weitere Verwendungszwecke. (Andreas Schantz)